Rumi Musik Gedichte
Termine
das Rumi-Projekt
Die Instrumente
musikalische Reise
CD´s vom Rumiprojekt
das Solo-Programm
die Künstler
Feedback
Rumi & der Sufismus
Gedichte
Photos
Presse
Kontakt / Bestellung



Gedichte

 

Über den Umgang mit den Gedichten Rumis

Von Dieter Halbach

 

Diese neuen Interpretationen von Rumis Gedichten möchten einladen, über 800 Jahre nach dem Geburtstag des großen Sufi-Mystikers, auf seinen Flügeln in unsere Gegenwart zu reisen. Rumi wird heute in aller Welt verehrt, gelesen und besungen. Er ist aktuell in der  Oppositionsbewegung im Iran, unter westlichen Suchenden nach einer herzoffenen Spiritualität oder als Friedensstifter zwischen den Kulturen. Er kommt uns heute so nah, denn die Intimität und Sinnlichkeit seiner Liebeslyrik trifft den Herzschlag unserer Aufbruch-Zeit. Kaum jemand vermag es so wie er, die endlose Liebesgeschichte zwischen individueller Seele und Gott in Worte zu fassen. 

Grosse Teile von Rumis Dichtung ist während nächtelanger Ekstase im Wirbeltanz entstanden. Um diese vibrierende Präsenz seiner Dichtung erlebbar zu machen bin ich sehr frei mit den Texten umgegangen. Ich habe versucht die in ihr enthaltene Musik herauszuarbeiten, indem ich ihren Wortklang und Sprachrhythmus in Liedform gebracht habe. Herausgekommen ist Musik für die Seele, die den Schmerz der Trennung und die Wonne der Vereinigung kennt.

In Rumis Worten: „Musik ist das Knarren der Pforten des Himmels... Ich will singen, wie Vögel singen, denen es gleich ist, wer zuhört, oder wer was denken könnte.“ Derart ermutigt, habe ich teilweise selbst „wie“ Rumi Gedichte geschrieben oder aus dem amerikanischen Englisch frei übertragen (siehe die Anmerkungen bei den Gedichten). Sein amerikanischer Übersetzer Jonathan Star hat diese intuitive Herangehensweise eindrücklich beschrieben:  

„Wenn man spirituelle Literatur überträgt, ist dies nicht unbedingt eine Frage des Findens der rechten Worte, man muss vielmehr den Geist erfassen, aus dem heraus der Text entstanden ist. Bei Rumi verhält es sich so, dass man dabei die Gedankenwelt der Sufis betreten, sich im Rhythmus ihrer Trommeln bewegen und sich in den Armen des „Geliebten“ verlieren muss. Man muss ein Sufi werden. Und aus dieser Perspektive heraus sollte man auch Rumis Dichtung lesen, um sie in ihrem tiefsten Grund zu erfahren.“

 

Besonders dankbar bin ich für die Zusammenarbeit mit der iranischen Rumi-Expertin, Sprachforscherin und Dichterin Zahra Deilami. Sie hilft uns die feinen Bedeutungen in Rumis persischer Dichtung und ihren kulturellen Hintergrund zu verstehen. Ihre Interpretationen und ihre Rezitation in persischer Sprache lässt schon durch den reinen Wortklang Rumis Mystik lebendig werden.  

 

„Du nahmst ein Stück Holz, und es verwandelte sich in eine Laute. Nimm das Sehnen der zerbrochenen Laute an und hüte die Glut dieses Herzens!“

 

Literatur: Jonathan Star: Rumi- In the Arms of the Beloved (New Yorck 1997); Rumi- Das Lied der Liebe (München 2005); Das Mesnevi (Bern, München, Wien 1997), Die Karawane der Derwische (Frankfurt Main 1997), Die schönsten Gedichte aus dem klassischen Persien (München 1998), Rumi- Die Musik, die wir sind (Arbor Verlag 2009, ausgewählt und übersetzt von Cristoph Engen)

 

  

 

 

 

 

 

Tag und Nacht tanzte mein Vater
(Verse von Sultan Walad, dem Sohn Rumis, aus dem Englischen übersetzt von Dieter Halbach)

 

Tag und Nacht tanzte mein Vater,

in völliger Ekstase über die Erde wirbelnd,

wie dahinwehende Wolken.

Sein Lachen hallte wieder vom Zenith des Himmels

und wurde von den Lebewesen aller Königreiche gehört.

 

Er überschüttete die Musiker mit Gold und Silber

und Alles, was er in die Hände bekam, gab er wieder fort.

Er war nie ohne ein singendes Herz

und er machte nie eine Pause.

 

Es war Rebellion in der ganzen Stadt

- nein, die ganze Welt war erfüllt von den Rufen des Aufstands.

 

Wie konnte eine tragende Säule und ein Meister des Islam,

verehrt als Führer durch die beiden Welten,

so ein rasender Irrer werden?

 

Jene, die vorher die Schriften rezitiert hatten,

sangen jetzt in völliger Hingabe

und wiegten sich mit den Musikern.

 

In der Öffentlichkeit wie im Privaten,

wandten sich die Menschen ab 

von Dogmen und leeren Ritualen

und wurden verrückt vor Liebe.

 

 

 

 

 

König der Liebe

(...Vorfahre von Rumi: Ilyas ibu Yusuf Nizami, gest. 1209, Bearbeitung Dieter Halbach)

 

Was denkst Du, wer ich bin?

Ein Trinker?

Ein Sklave meiner Sinne?

Ein liebeskranker Irrer?

 

Wisse: Ich bin der König der Liebe!

Meine Seele ist von Lust befreit.

Meine Sehnsucht gereinigt von Begierde.

Mein Verstand ist frei von Scham.

 

Ich verließ den Bazar der Sinne.

Liebe ist mein Wesen.

Die Liebe ist Feuer – ich bin das Holz

und verbrenne.*..

 

Die Liebe zog ein in mein Haus

und mein Ich packte seine Bündel

und zog aus.

 

Du denkst du siehst mich,

doch ich existiere nicht.

 

Was existiert ist der Geliebte*.

 

 

* Verbrennen: Prozess der Selbstreinigung, Sehnsucht nach Gott

* Der Geliebte: Gott und seine liebenden Aspekte, die dem Menschen durch Hingabe erfahrbar sind; auch die Quelle der Sehnsucht- die eigene Seele und der Meister

 

 

 

 

 

 

Das Lied der Liebe
(aus verschiedenen Gedichten Rumis zusammengestellt von Dieter Halbach)

 

Ohne die Liebe

Ist jede Musik – nur ein Geräusch

Kann das Brot den Menschen nicht ernähren,

und jeder Tanz ist nicht leicht

 

Du fragst nach einer Rose* - lauf vor ihren Dornen nicht davon

Du fragst nach der Liebe - lauf vor dem Feuer nicht davon

 

Die Liebe ist der Morgen

-und ich der nahende Tag

Die Liebe ist der Regen

-und ich die Blume, die ihn trinken darf

 

Die Liebe ist die Krankheit

-und ihre Arzenei

Die Liebe ist das Wasser*

-in dem mein Salz zergehen kann

 

Denk ich an den Geliebten,

wird die Laute in meiner Hand zum Klang.

Wird ihre Saite zum grünen Zweig,

auf dem die Liebe spielen kann.

 

Die Blume tanzt, wenn er sie wiegt und trägt.

 

Nur Gott weiß, ich nicht, warum mein Herz lacht

und singt

 

 

* Rose: die vollkommene Schönheit des Geliebten

* Wasser: Nektar der Unsterblichkeit, Ursprung der Schöpfung

 

 

 

 

 

Das Lied der Rohrflöte
(aus dem Mesnevi von Rumi, bearbeitet von Dieter Halbach)

 

Hör auf die Flöte- wie sie erzählt, wie sie klagt über Trennung und spricht:

„Seit man mich aus dem Röhricht schnitt, weinen Mann und Frau bei meiner Klage.

Ich suche die Herzen derer, die von Einsamkeit gequält sind

- nur sie verstehen den Schmerz meiner Sehnsucht.

Wer weit entfernt ist von seiner Heimat,

der sehnt sich nach dem Tag seiner Rückkehr...

 

Der Hauch der Flöte ist Feuer- nicht Wind!

Was nützt einem sein Leben ohne dieses Feuer?

Das Feuer der Liebe bringt dem Schilfrohr die Musik

und dem Wein* seinen Geschmack.

Das Lied der Flöte lindert den Schmerz verlorener Liebe.

Ihre Melodie reißt die Schleier von unserem Herzen.

 

Hat es je ein so bitteres Gift oder einen so süßen Zucker gegeben, wie das Lied der Flöte?

 

Hat man je einen Liebenden wie sie gesehen?

 

 

* Wein: die berauschende Liebe Gottes

 

 

 

 

Der Ruf der Flöte (Dieter Halbach)

 

Und die Flöte ruft nach ihrem Schilfrohr

Sie sehnt sich zurück zu sich

und ich rufe nach dem Geliebten

und die Liebe ruft nach mir

 

Doch der Tropfen weiß nichts von der Welle

Und die Welle weiß nichts vom Meer*

Und ich weiß fast nichts von mir selber

Und noch weniger weiß ich von Dir

Und das Glück weiß nichts von dem Unglück

und das Unglück weiß nichts vom Glück

und das Leben weiß nichts vom Sterben

und das Sterben stirbt ohne Leben

Doch der Tropfen sehnt sich zur Welle

und die Welle sehnt sich zum Meer

und ich sehn mich nach mir selber

und noch mehr sehne ich mich nach Dir

 

Und fragst Du: wer soll ich nun werden?

Werde die Welle und das Meer

werde die Flöte und das Schilfrohr

werde das Leben und das Sterben

Werde das Unglück und das Glück

werde das ich und das Du
und tu’, ja und tu’

deine ganze Liebe dazu- Allah Hu

Hu Allah´ah

 

 

* Welle; Schaum, Blase: äußere Form der begrenzten Existenz, die die Tiefe des Ozeans bedeckt; individuelle Existenz, getrenntes Ich

* Ozean, Meer: das unendliche göttliche Universum  

 

 

 

 

Du & ich

(Original Rumi, Bearbeitung Dieter Halbach)

 

Die Blumen werden immer blühen,

die Vögel singen ihr ewig Lied.

 

Wenn wir in den Garten gehen,

gehen wir ins Paradies.

Glücklich ist der Augenblick,

wenn wir beieinander sind.

Zwei Gestalten, zwei Gesichter,

aber eine Seele nur.

Du & ich

 

Sogar am Ende dieser Erde,

werden wir beisammen sein.

Wir bewohnen ewige Himmel,

sind endlose Freude hier.

Vögel stürzen mit hellen Flügeln

süßes Nass mit uns zu trinken.

Wir lachen Tränen, wenn sie betrunken

von Gottes edlem Weine sind.

Du & ich

 

Wundersam ist´ s hier zu sein,

leicht in die nächste Welt zu gehen.

Kein Ich mehr und kein Du besitzen,

nur die Wonne der Vereinigung.

Du & ich

 

 

* Garten: der Ort, an dem die Liebenden der Gegenwart des Geliebten gewahr werden; die Schönheit des Paradieses

* Vogelgesang, Vogelsprache: Worte des Geistes, welche die Grenzen der Gegenwart überschreiten

 

 

 

 

Du allein bist mein Gesang
(Original Rumi, Bearbeitung Dieter Halbach)

 

Du bist mein Sultan, bist mein Herr.

Bist meine Seele, bist mein Herz

    Bist alles, was ich bin

 

Durch deinen Atem lebe ich,

überall sehe ich nur dein Gesicht*

    Du allein bist mein Gesang

 

Das Brot kann ohne dich nicht nähren

Du bist mein Wasser, bist mein Stern

    Du allein bist mein Gesang

 

Durch dich wird Gift zu Medizin.

Du bist der Nektar, ich die Biene.

    Du allein bist mein Gesang

 

Ich habe hier nichts mehr zu tun,

als Wein zu trinken und zu rufen

    Du allein bist mein Gesang

 

Mein Mund wird niemals schweigen können

Und ständig Worte ihm entströmen

Doch ich hab die höchste Stille...gehört

 

Du allein bist mein Gesang

 

 

 

 

Der Geliebte ist da

 

(Original Rumi, Bearbeitung Dieter Halbach)

 

Komm, komm - die Rosen stehen in Blüte!

Komm - der Geliebte ist da!

 

Jetzt ist die Zeit, Seele und Welt zu vereinen.

Jetzt ist die Zeit, zu sehen wie das Sonnenlicht vereint mit den Schatten tanzt

Die ganze Stadt bebt- jetzt, wo der Verrückte sich von seinen Fesseln befreit hat.

Was für ein Tag! Was für ein Tag! Ein Tag des Umsturzes. Ein Tag der Revolte.

Schlage die Trommel- sprich nicht!

Das Herz ist gegangen, der Verstand ist gegangen, auch die Seele ist gegangen

- hin zum Geliebten. 

Komm zu unserem Fest*, aber komm nicht ohne Trommel. Steh auf und spiel die Melodie

- Ich bin Gott -

Das ist es, was wir hören wollen!

Und trinke! Werde trunken* von diesem Wein,

den du selbst im Paradies nicht finden wirst.

 

 

Komm, komm - die Rosen stehen in Blüte!

Komm - der Geliebte ist da!

 

 

 

 

 

Schlafe nicht!

(Original Rumi, Bearbeitung Dieter Halbach)

 

Höre die Stimme deines Herzens - Oh Suchender, schlafe nicht!

Gib mir eine Nacht deines Lebens - Schlafe nicht!

 

Du hast tausend Nächte im Schlaf verbracht,

Ich bitte um eine Nacht - Sei wach!

Der liebende Zeuge schläft nie des Nachts,

Ich bitte um eine Nacht
Schlafe nicht!

 

Hüte dich vor der dunklen Nacht,

in der du vor Gott stehen wirst - Sei wach!

Wenn der Tod kommt, dich zu begrüßen - Schlafe nicht!

 

Fürchte diese Nacht, wenn es keine Zuflucht mehr gibt -  Sei wach!

Selbst Steine würden dann weinen, Du bist kein Stein - Schlafe nicht!

 

Auch wenn die Nacht dich wie eine schöne Jungfrau ruft -  Shlafe nicht!

Trinke nicht aus ihrem Becher - Sei wach!

 

Die Heiligen finden ihre Schätze des nachts.

Wenn die Welt schläft, werden sie wach.

Wenn die Welt schläft, bleib bei mir.

Um der ewigen Liebe willen - Sei wach!

 

Wenn deine Seele alt und müde ist,

werde ich dir eine neue geben.

Du wirst der reine Geist von Allem sein.

Oh Hoffnungsfroher - Schlafe nicht!

 

Immer wieder habe ich dir gesagt-

Gehe in die Stille! Aber du hörst mich nicht.

 

Gebe mir eine Nacht deine Lebens

und ich werde dir tausende geben - Schlafe nicht!

 

 

 

* Freund: andere Bezeichnung für den Geliebten

* Fest: Versammlung der Sufis, die durch ekstatischen Tanz gekennzeichnet ist

* Trunkenheit: Berauschung an Gott

 

 

 

 

O Komm Geliebter
(Original Rumi, Bearbeitung Dieter Halbach)

 

Vor der Liebe bin ich nicht geflohen

O komm Geliebter, komm zu mir!

 

Spiel auf, spiel auf, spiel jeden Ton

Spiel hoch und tief, spiel jeden Ton

O komm Geliebter, komm zu mir!

 

Ich wandere von Haus zu Haus

Ich wandere von Tür zu Tür

-und überall frag ich nach Dir

O komm Geliebter, komm zu mir!

 

Und wenn das Tor verriegelt ist

Geh durch die Tür- komm zu mir!

 

Und wenn Du mir verborgen bist

Mein Tanz, der führt mich hin zu Dir

O komm Geliebter, komm zu mir!

 

Mein einziger Wunsch: ein Blick von Dir

O sanfter Wind, weh her zu mir

O komm Geliebter, komm zu mir!

 

Komm! Komm!

Kontakt: Dieter Halbach, Clara-Zetkin-Str. 12, 14806 Bad Belzig | d.halbach@rumiprojekt.de